Das Berufsbildungssystem in Deutschland zeichnet sich durch ein hohes Maß an Standardisierung aus. Damit verbunden ist eine hohe Transparenz und Verbindlichkeit von Berufsbildern und -zertifikaten im Bildungs- und Beschäftigungssystem. Sie tragen mit dazu bei, individuelle Berufsbiografien zu strukturieren.
Diese Vorzüge stehen in einem Spannungsverhältnis zu Forderungen nach mehr Flexibilität des Systems. Dabei geht es zum einen um Fragen der Durchlässigkeit von Bildungswegen und zum anderen um die Anpassung von Berufsbildern an den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Ausgabe geht der Frage nach, in welcher Hinsicht mehr Flexibilität für ein leistungsfähiges und modernes Berufsbildungssystem sinnvoll oder gar notwendig ist, ohne jedoch grundlegende Prinzipien (wie z.B. das Berufsprinzip) über Bord zu werfen.
Die BWP zeigt sich solidarisch mit der Ukraine und passt für diese Ausgabe ihr Cover an.
Im Nachrichtenteil dieser Ausgabe finden Sie einen Überblick über ausgewählte Informations- und Unterstützungsangebote des BIBB und weiterer Akteure für Geflüchtete aus der Ukraine.
Flexibilität und Stabilität erscheinen auf den ersten Blick als Gegensatzpaar, das widersprüchliche Anforderungen an das Berufsbildungssystem stellt. Gleichwohl handelt es sich dabei um zwei wichtige Kontextbedingungen, die es zu berücksichtigen gilt. Im Beitrag wird dieses Gegensatzpaar mit seinen Anforderungen unter Bezugnahme auf die Funktion des Berufsbildungssystems und die darin über Beruflichkeit vermittelte Verbindung von Bildungssystem, Arbeitswelt und Individuum diskutiert sowie in eine berufsbiografische Entwicklungsperspektive gestellt. Darüber lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen Stabilität und Flexibilität als Basis für eine Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems konkretisieren. Dies wird im letzten Abschnitt perspektivisch mit dem Begriff der „ambivalenten Funktionalität“ aufgenommen.
Der Wunsch nach einer flexibleren Gestaltung der Berufsbildung wird besonders im Kontext dynamischer Innovations- und Transformationsprozesse geäußert. Dabei wird oft übersehen, dass das BBiG sowohl in Bezug auf Strukturen und Inhalte von Ausbildungsberufen als auch auf die örtliche und zeitliche Umsetzung sowie im Hinblick auf spezifische Personengruppen bereits Flexibilisierungsoptionen vorsieht. Sie werden im Beitrag beschrieben. Allerdings zeigt sich, dass ein Teil der Optionen nur zögerlich genutzt wird. Es stellt sich daher die Frage, ob sie ausreichend bekannt sind, ob weitere Optionen benötigt werden und welche Voraussetzung diese erfüllen müssten.
Mit der Novellierung der Metall- und Elektroberufe im Jahr 2018 sollte dem Anpassungsdruck begegnet werden, der diese Berufsbilder infolge der digitalen Transformation besonders trifft. Ziel war es, mit Standardinstrumenten die Flexibilisierung voranzubringen. Der Beitrag beleuchtet, wie dies gelungen ist und welche Schlussfolgerungen daraus für die Ausbildung der Metall- und Elektroberufe sowie die weitere Ordnungsarbeit gezogen werden können. Dabei nimmt er Bezug auf ein BIBB-Evaluationsprojekt und stellt Ergebnisse aus Regionalworkshops vor.
Die seit rund einem Jahrzehnt stattfindende Digitalisierung in der Metall- und Elektroindustrie (M+E) hat sowohl Auswirkungen auf Qualifikationsanforderungen der Beschäftigten als auch auf die Ausgestaltung der Berufe. Unternehmen reagieren auf den veränderten Qualifikationsbedarf und bilden Fachkräfte zunehmend „hybrid“ aus, also an mechanischen, elektro- und informationstechnischen Anforderungen orientiert. Die 2018 teilnovellierten Metall- und Elektroberufe (M+E-Berufe) sowie der Beruf Mechatroniker/-in stoßen trotz der eingeführten Zusatzqualifikationen an ihre Grenzen. Auf Basis der aktuellen Entwicklungen in Unternehmen wird im Beitrag für die Gestaltung von Berufsbildern mit einem neuen Kern plädiert. Deren Neuausrichtung soll es ermöglichen, flexibler und passgenauer auf den Bedarf reagieren zu können.
Seit 2005 ermöglicht das Berufsbildungsgesetz, Zusatzqualifikationen in Ausbildungsordnungen vorzusehen. Mit diesen sogenannten kodifizierten Zusatzqualifikationen können Betriebe über die in der Ausbildungsordnung festgelegten Mindeststandards hinausgehende Spezialisierungen vermitteln. Bisher wurden in 27 Ausbildungsberufen entsprechende Zusatzqualifikationen verordnet, die im Beitrag anhand ausgewählter Merkmale im Überblick dargestellt werden. Sie folgen zwei unterschiedlichen Modellen. Erkenntnisse über die Nutzung von kodifizierten Zusatzqualifikationen deuten auf eine geringe Verbreitung und Nutzung hin.
Seit Mitte der 1990er-Jahre ist die Medienwirtschaft durch zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der Produktion geprägt. Die dadurch entstandene Vielfalt von Produktionswegen, Ausgabekanälen und Produkten führte zu einer deutlichen Zunahme von Ausbildungsinhalten, die im Rahmen von monostrukturierten Berufsbildern nicht mehr abzubilden sind. Mit dem Modell der Wahlqualifikationen wurde ein Strukturmodell entwickelt, das diese Veränderungen abbilden und gleichzeitig unterschiedliche Spezialisierungsprofile schaffen kann. Bei der Neuordnung des Ausbildungsberufs Mediengestalter/-in Digital und Print im Jahr 1998 wurden erstmals Wahlqualifikationen als Flexibilisierungsinstrument eingesetzt. Im Beitrag werden die Entwicklung des Ausbildungsberufs bis heute beschrieben und Vorzüge und Herausforderungen beim Einsatz von Wahlqualifikationen aufgezeigt.
Die Europäische Kommission hat im Dezember 2021 ihren Vorschlag für eine europäische Empfehlung zur Entwicklung von Microcredentials für das lebenslange Lernen und die Beschäftigungsfähigkeit in Europa veröffentlicht. Im Gegensatz zur Hochschulbildung und zu den angelsächsischen Ländern ist der Begriff Microcredentials in der Berufsbildung in Deutschland bislang unbekannt. Vieles ist offen und unklar, ein einheitliches Verständnis fehlt ebenso wie die Vorstellung, welche Rolle sie in den Berufsbildungssystemen der Mitgliedstaaten spielen könnten oder sollten. Die europaweite Konsultation zu dieser Empfehlung zeigt u. a., dass dieses Instrument für die Berufsbildung nicht unumstritten ist. Der Beitrag geht auf die Kernelemente des europäischen Vorschlags ein und identifiziert Potenziale und Problemfelder, die mit den Microcredentials für die Berufsbildung verbunden sind. Dies wird insbesondere über eine Reflexion möglicher Entwicklungen von Microcredentials im deutschen Berufsbildungskontext verdeutlicht.
Durch den Mangel an Fachkräften greift die Textilindustrie zunehmend auf nicht formal Qualifizierte zurück. Beim Anlernen im Betrieb bleibt die Vermittlung von theoretischem Wissen oft auf der Strecke. Um diese Lücke zu füllen, stellt die digitale Lernplattform textil trainer Grundlagenwissen zur Verfügung. Lernende können so flexibel und bedarfsgerecht auf das Wissen zugreifen.
Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung wird seit langer Zeit intensiv diskutiert, vor allem um die Chancengleichheit zu verbessern und die Attraktivität der beruflichen Bildung zu steigern. Das Thema hängt eng mit der Frage nach der Flexibilisierung der Berufsbildung zusammen. Doch bis heute hat diese Durchlässigkeit faktisch nur ansatzweise eine praktische Relevanz. Daher werden Möglichkeiten erörtert, die den Übergang aus der beruflichen Bildung in die Hochschule und umgekehrt erleichtern können, z. B. eine Vereinheitlichung der Übergangs- und Anerkennungsmöglichkeiten sowie ein stärker lernortunabhängiges sowie modulartiges Curriculum. Letztlich geht es darum, bestehende strukturelle Hürden zu überwinden und Durchlässigkeit als Entwicklungsmöglichkeit zu begreifen.
Das Poster präsentiert und erläutert die Strukturmodelle, mit denen Berufsprofile an die unterschiedlichen Anforderungen von Betrieben oder Branchen angepasst werden. Zusätzlich zeigt ein Diagramm, wie sich die Gesamtzahl der Ausbildungsberufe von 1969 bis 2022 entwicklelt hat und und wie im Verhältnis zu Monoberufen die Anzahl der Berufe mit Binnendifferenzierung gestiegen ist.
Die derzeit anstehenden Infrastruktur- und Wohnbaumaßnahmen lassen sich ohne Fachkräfte im Baugewerbe nicht bewältigen. Die gute Baukonjunktur des letzten Jahrzehnts hat bereits dazu geführt, dass sowohl der Anteil ausländischer Erwerbstätiger als auch der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Baugewerbe gestiegen ist. Dies wird aber vermutlich nicht ausreichen, um die weiterhin hohe Fachkräftenachfrage zu stillen. Im Beitrag werden ausgewählte Kennzahlen vorgestellt und Überlegungen angestellt, wie der Ausbildungsverlauf in Zukunft positiver gestaltet werden kann, um einmal gefundene Auszubildende nicht wieder zu verlieren und erfolgreich zu Fachkräften auszubilden. Auch die ausländischen Fachkräfte müssen im Land gehalten werden.
Trotz eines hohen Fachkräftebedarfs und Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung bilden Start-ups bisher kaum aus. Im Beitrag werden die Ursachen für die Ausbildungsabstinenz untersucht sowie Ansatzpunkte zur Steigerung der Ausbildungsbeteiligung von Start-ups diskutiert. Als Grundlage dienen Ergebnisse einer zwischen Februar und Juli 2021 durchgeführten Onlinebefragung unter Start-ups sowie Erkenntnisse aus ergänzend dazu geführten qualitativen Interviews.
Nach über zwanzig Jahren hat das traditionsreiche Gastgewerbe – mitten in der Coronapandemie – seine dualen Ausbildungsberufe modernisiert. Mit sechs aktualisierten und einer neu geschaffenen Ausbildungsordnung starten die Hotel-, Gastronomie- und Küchenberufe in das Ausbildungsjahr 2022.
Lokführer/-innen steuern Züge und transportieren Güter oder Personen im Nah-, Fern und Güterverkehr. Bei der Umsetzung einer klimafreundlichen Verkehrspolitik spielen sie eine zentrale Rolle. Folglich ist der Bedarf an Fachkräften groß. Der Steckbrief informiert zur neuen Ausbildungsordnung, präsentiert Zahlen zum Frauenanteil und nennt Trends zur Digitalisierung.
Die Frühjahrs- und Sommersitzung des Hautpausschusses fanden unter der Leitung von Dr. Sandra Garbade, Beauftragte der Länder, statt. Beraten wurden im Schwerpunkt die aktuelle Ausbildungsplatzsituation anlässlich der jährlichen Aussprache zum Berufsbildungsbericht der Bundesregierung, das Thema „Jugendberufsagenturen“ bzw. Impulse für Verbesserungen im Übergangssystem, Elternarbeit in der Berufsorientierung sowie Transformation in der Wirtschaft.