Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe informiert zum einen über bildungspolitische Entwicklungen sowie aktuelle Instrumente der europäischen Bildungspolitik und deren Umsetzung. Zum anderen bietet er ländervergleichende Darstellungen zu Nationalen Qualifikationsrahmen, zur Teilnahme an beruflicher Weiterbildung und zur Kompetenzorientierung. Deutlich wird darüber hinaus, dass internationale Themen nicht nur in Wissenschaft und Politik der Berufsbildung ihren Platz haben, sondern auch in der Praxis auf Unternehmensebene mit Leben gefüllt werden. Im Kommentar zum Heft hebt Forschungsdirektor Professor Reinhold Weiß die vielfältigen Aktivitäten der Mitwirkung des BIBB an der internationalen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung hervor. Weitere Themen der Ausgabe beschäftigen sich mit Evaluationsergebnissen zum 2-jährigen Ausbildungsberuf Kfz-Servicemechaniker/-in, der Qualitätssicherung beim Online-Tutoring und einem BMBF-Projekt zur Berufsorientierung.
Professor Reinhold Weiß, Forschungsdirektor des BIBB, hebt die vielfältigen Aktivitäten der Mitwirkung des BIBB an der internationalen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung hervor. Kern der Beratungsleistungen des BIBB ist die Systemberatung, d.h. die Weiterentwicklung des jeweiligen nationalen Systems oder zentraler Systemelemente.
Die europäische Bildungszusammenarbeit hat die Phase einer folgenlosen Bildungsdiplomatie, in der Beschlüsse und Empfehlungen ohne Auswirkungen auf die nationale Bildungspolitik blieben, hinter sich gelassen. Ihre Wirkungen werden für die Gestaltung der Bildungspolitik in den EU-Mitgliedstaaten immer relevanter und müssen von allen Akteuren berücksichtigt werden. Dennoch ist ihre unmittelbare Wirksamkeit auf die spezifische Struktur der Bildungssysteme und die Inhalte von Bildung bis heute begrenzt. Der Beitrag skizziert die Genese und wesentlichen Entwicklungslinien der europäischen Bildungszusammenarbeit. Auch wenn die Globalisierung und Entwicklung europäischer Arbeitsmärkte ihre zentralen Antriebskräfte sind, hat sie zugleich in den vergangenen Jahren an Eigenständigkeit gewonnen.
Die Europäische Kommission hat im Frühjahr 2008 den Vorschlag für eine „Empfehlung des Europäischen Parlaments und Rats zur Einrichtung des ECVET“ vorgelegt. Darin wird die Rolle der europäischen Mitgliedsländer bei der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung des ECVET in den unterschiedlichen Berufsbildungs- und Qualifikationssystemen betont. In vielen Ländern – darunter Deutschland – wird das Potenzial von ECVET gesehen, Innovationen hin zu mehr Flexibilität und Durchlässigkeit in der Berufsbildung zu unterstützen. Der Artikel analysiert kurz den Kommissionsvorschlag und beschreibt die Spannungsfelder, in denen sich eine Implementierung von ECVET als Reforminstrument im deutschen dualen System der Berufsbildung bewegt.
Michaela Brockmann; Linda Clarke; Christopher Winch
Mit der Einführung eines Europäischen Qualifikationsrahmens ist die Absicht verbunden, Qualifikationen vergleichbar zu machen und damit die Transparenz und Mobilität im europäischen Bildungs- und Beschäftigungssystem zu erhöhen. Bei der konkreten Umsetzung gibt es jedoch einige Hürden zu überwinden. Auf der Grundlage erster Ergebnisse aus vergleichenden Fallstudien benennt der Beitrag Barrieren und Chancen bei den Bemühungen, länderübergreifende Gleichwertigkeit von Qualifikationen und Fertigkeiten herzustellen. Dabei spielt nicht nur die Verständigung über gemeinsame Begrifflichkeiten eine Rolle. Ebenso von Bedeutung sind neben den nationalen Rahmenbedingungen sektor- und berufsspezifische Regelungen.
Das in Folge der Lissabon-Strategie vom Europäischen Rat 2002 verabschiedete detaillierte Arbeitsprogramm setzt die 'Verbesserung der allgemeinen und beruflichen Bildung von Lehrkräften und Ausbildern' als erstes Teilziel fest. Der Beitrag skizziert die bisherigen Bemühungen, gemeinsame Standards für das Bildungspersonal zu entwickeln, weist auf Schwierigkeiten in diesem Prozess hin und zeigt mögliche Perspektiven auf.
Der Beschluss des Europäischen Parlaments und Rats zur Etablierung des Europäischen Qualifikationsrahmens für Lebenslanges Lernen (EQR) stellt den Mitgliedstaaten anheim, ob und wie sie einen Nationalen Qualifikationsrahmen entwickeln. Länder wie England, Schottland und Irland verfügen seit Jahren über Qualifikationsrahmen, die z. T. auch der Konstruktion des EQR zugrunde lagen. Zur Vorbereitung eines Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) lag es nahe, Erfahrungen der genannten Länder näher zu betrachten. Dies geschah im BIBB-Projekt „Nationale Qualifikationsrahmen in England, Irland, Schottland – Konstruktion, Nutzung, Wirkung“, aus dem hier erste Ergebnisse vorgestellt werden. Der Beitrag richtet den Blick vor allem auf die Verfahren zur Entwicklung und wertet Erfahrungen mit der Umsetzung aus. Daraus werden abschließend Schlussfolgerungen für die Erarbeitung eines DQR gezogen.
Der Beitrag beleuchtet die Frage nach den Ursachen beobachtbarer Unterschiede in den Weiterbildungsquoten in Deutschland und dem Vereinigten Königreich vor dem Hintergrund des in dem jeweiligen Land erzielbaren individuellen Weiterbildungsnutzens. Humankapitaltheoretischen Erklärungsansätzen zufolge wären Anreize für die Teilnahme insbesondere dann gegeben, wenn der zu erwartende Nutzen die Kosten übersteigt. Demnach müsste sich im Vereinigten Königreich, einem Land mit hoher Weiterbildungsbeteiligung, ein vergleichsweise hoher und in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechend niedrigerer Weiterbildungsnutzen nachweisen lassen. Ergebnisse aus Längsschnittanalysen belegen jedoch, dass dies zumindest für den Nutzen in Form von Lohnsteigerungen, der Reduzierung des Arbeitslosigkeitsrisikos und der beruflichen Verbesserung nicht der Fall ist und somit Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung auf andere Ursachen zurückzuführen sein müssen.
Der Kompetenzbegriff hat seit geraumer Zeit Einzug in die deutsche Berufsbildungsdiskussion gefunden und neben einer kontrovers geführten begriffstheoretischen Auseinandersetzung auch die Frage nach einer Kompetenzorientierung in der Berufsbildung aufgeworfen. Im angelsächsischen Kontext und speziell in der australischen Berufsbildung begann die Diskussion um „Competence/Competency“ bereits in den 1980er Jahren. Seither dominiert der Ansatz einer kompetenzorientierten beruflichen Qualifizierung, das sogenannte „Competency-based Training“ (CBT). Der Beitrag vergleicht die Ausprägung der Kompetenzorientierung in Deutschland mit der in Australien und zeigt, welche Konsequenzen sich daraus für die Berufsbildungssysteme der beiden Länder ergeben. Der Blick richtet sich auf die Frage, wie sich die Kompetenzorientierung auf die didaktisch-curriculare Ebene des Berufsbildungssystems sowie auf die Realisierung beruflicher Lernprozesse auswirkt.
Der Beitrag berichtet über den im August abgeschlossenen Modellversuch MOVE PRO EUROPE der deutschen Gesellschaften der EADS. Zwei Ziele standen im Vordergrund des Modellversuchs: zum einen die Qualifikationspotenziale realer Arbeitsprozesse in der Ausbildung gezielt zu nutzen, zum anderen einen Beitrag zur europäischen Debatte kompetenzorientierter beruflicher Standards zu leisten.
Das Zusammenwachsen Europas zu einem gemeinsamen Markt erfordert von den Unternehmen ein europäisches Denken und Handeln. Wichtigste Ressource sind dabei die Mitarbeiter und Führungskräfte. Eine auf künftige Markterfordernisse ausgerichtete moderne Berufsausbildung stellt dabei eine wichtige Voraussetzung dar. Sie wird in Zukunft immer stärker international ausgerichtet sein.
Vom 3. bis 4. Juli 2008 fand im Museum Arbeitswelt in Steyr die erste Österreichische Konferenz für Berufsbildungsforschung statt, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den wissenschaftlichen Austausch zu intensivieren und die Qualität der Forschung weiterzuentwickeln. Dr. Lorenz Lassnigg vom Institut für Höhere Studien in Wien und Mitglied des Programmkomitees zieht in diesem Interview eine erste Bilanz.
Die Reform der beruflichen Bildung in Thailand wurde 2003 nach einer Umstrukturierung des Bildungsministeriums eingeleitet. Im Jahre 2008 trat das erste Berufsbildungsgesetz in Kraft und wurde zum Motor für den Wandel der Berufsbildung im Land. Der Beitrag zeichnet die Reformstrategie der vergangenen Jahre nach und benennt Meilensteine auf dem Weg zur Stärkung der beruflichen Bildung in Thailand.
Die Verordnung von zweijährigen Ausbildungsberufen mit oder ohne Anschlussmöglichkeit an drei- bis dreieinhalbjährige Berufe ist umstritten. Bisher liegen erst wenige empirische Befunde vor, die nicht auf prognostischen Bedarfsanalysen beruhen. Die Ergebnisse einer auf Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein fokussierten Evaluationsstudie zum zweijährigen Ausbildungsberuf Kfz-Servicemechaniker/-in geben erste Einblicke zur Akzeptanz und Wirkung sowie zu möglichen betrieblichen Einsatzfeldern.
Der Beitrag stellt ein Konzept zur Verbesserung der Qualität des Online-Tutorings vor und plädiert für ein pragmatisches Modell. Die zentrale Frage hierbei lautet: Welche Mittel und Möglichkeiten zur Qualitätssicherung und -verbesserung können in der eigenen Arbeit eingesetzt werden? Für die einzelnen Phasen eines Online-Bildungsangebots werden geeignete Qualitätsraster und Qualitätssicherungsmaßnahmen entwickelt und dargelegt. Ziel ist es, einen praktikablen Ansatz für Blended Learning und Online-Lernangebote aufzuzeigen, der sich in vielen Fällen und in den unterschiedlichsten Lehr-/Lern-Szenarien bewährt hat.
Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Qualifizierungsinitiative "Aufstieg durch Bildung" zum Ziel gesetzt, alle Begabungen zur Entfaltung zu bringen und Aufstiegschancen für jeden zu eröffnen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im April 2008 gestartete Programm "Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten" leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Das Programm wird vom BIBB koordiniert und wissenschaftlich begleitet.