Mit rund 230 bundesweit anerkannten Fortbildungsberufen bietet das Berufsbildungssystem attraktive berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Doch können sich diese im Kontext einer zunehmenden Akademisierung von Bildungsabschlüssen weiterhin behaupten?
Die Ausgabe widmet sich diesem für duale Berufsbildungssysteme typischen Qualifizierungsweg, und lässt vier Fortbildungsabsolventinnen und -absolventen zu Wort kommen. Sie berichten von Ihren Motiven, Erfahrungen und beruflichen Perspektiven. Teilnahmezahlen und die Einschätzung des Nutzens, den Aufstiegsfortbildungen aus Sicht der Individuen und Betriebe bieten, sind ebenso Gegenstand des Heftes wie Fragen zur didaktischen Gestaltung von Fortbildungslehrgängen, der Zuordnung von Fortbildungsabschlüssen im DQR und internationale Entwicklungen im tertiären Bildungsbereich.
Im Editorial hebt BIBB-Präsident Esser angesichts des vorherrschenden Akademisierungstrends die Bedeutung eines durchlässigen Bildungssystems für individuelle Bildungs- und Karriereverläufe hervor und benennt Handlungsbedarf aus Sicht der beruflichen Bildung.
Ein anerkannter Fortbildungsabschluss wird in der Regel nach einer Berufsausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung abgelegt und ebnet insbesondere Personen ohne Hochschulzugangsberechtigung den Weg in höhere berufliche Positionen. Solche traditionellen Aufstiegspositionen scheinen jedoch angesichts von Veränderungen auf der Unternehmensebene und der zunehmenden Konkurrenz durch Erwerbstätige mit Hochschulabschluss an Bedeutung zu verlieren. Anhand des Mikrozensus und den BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen werden Entwicklungen für die vergangenen 30 Jahre nachgezeichnet.
Die Möglichkeiten zur Fortsetzung der Erstausbildung und zur Erweiterung der beruflichen Kompetenzen durch staatlich geregelte Fortbildungsabschlüsse sind ein wichtiger Faktor für die Attraktivität der beruflichen Bildung. Sie bieten Beschäftigten mit einer beruflichen Ausbildung eine Perspektive, ihr Aufgabenspektrum zu erweitern und verantwortliche Fach- und Führungsaufgaben zu übernehmen. Die anerkannten und bewährten Fortbildungsregelungen stehen jedoch vor neuen Herausforderungen. Um ihre Attraktivität auch in Zukunft zu gewährleisten, muss das System weiterentwickelt werden. Hierzu werden im Beitrag Entwicklungen beleuchtet und mögliche Handlungsfelder benannt.
Das höhere Berufsbildungssystem der Schweiz ist historisch aus der heterogenen und kaum reglementierten beruflichen Weiterbildung hervorgegangen und bildet heute den nicht akademischen Teil der tertiären Bildungsstufe in der Schweiz. Mit dem Berufsbildungsgesetz 2002 wurde sie neben der hochschulischen Tertiärstufe A als Tertiärstufe B verankert. Damit hat sie eine deutliche bildungspolitische Aufwertung erfahren. Dieser Beitrag blickt auf die Entwicklung der beruflichen Tertiärstufe zurück und diskutiert, wie sich die verschiedenen Bildungsgänge der höheren Berufsbildung im System positioniert haben und innerhalb welcher Spannungsfelder aktuelle Reformbestrebungen stattfinden.
Was macht die Aufstiegsfortbildung aus Sicht der Absolventinnen und Absolventen attraktiv? Was war ihre Motivation und inwiefern haben die Fortbildungen ihre beruflichen Entwicklungen beeinflusst? In den Interviews geben vier Beschäftigte über ihre Beweggründe, Erwartungen und Zukunftspläne Auskunft. Deutlich werden unterschiedliche Ausgangslagen und Wege, die zum Fortbildungsabschluss führten. Alle Befragten betonen, dass ihnen der gewählte Abschluss neue Perspektiven im Beruf eröffnet hat, sie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern konnten und dass sie sich darin bestärkt fühlen, ihre berufliche Karriere auch weiterhin aktiv zu gestalten.
Eine geregelte berufliche Aufstiegsfortbildung wird in der Regel nach einer dualen Berufsausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung abgelegt und soll den beruflichen Aufstieg ermöglichen. Wie erfolgreich sind Fachkräfte mit Aufstiegsfortbildung am Arbeitsmarkt, und worin besteht dieser Erfolg? Sind Frauen genauso erfolgreich wie Männer, und welche Vorteile zeigen sich im Vergleich zu Personen mit dualer Berufsausbildung? Diese Fragen werden im Beitrag auf Basis der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012 anhand objektiver und subjektiver Indikatoren zum beruflichen Erfolg untersucht.
Aus einer nationalen Unternehmensbefragung von über 800 Rekrutierungsverantwortlichen geht hervor, dass die Diplome und Titel der höheren Berufsbildung (HBB) im schweizerischen Arbeitsmarkt heute einen hohen Stellenwert genießen und gut etabliert sind. Allerdings zeigt die erstmals durchgeführte Befragung auch, dass weiter an der Positionierung gearbeitet werden muss, wenn die HBB im Zuge der zunehmenden Akademisierung der Arbeitswelt weiterhin attraktiv bleiben soll. Zentrale Befunde der Studie werden im Beitrag vorgestellt.
Die Daten der OECD weisen im Zeitraum von 1995 bis 2010 einen enormen Zuwachs von Teilnehmenden an akademischen Bildungsgängen aus. Gleichzeitig stagnieren berufs- und praxisbezogene Bildungsgänge im tertiären Bildungsbereich. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit es vor diesem Hintergrund gerechtfertigt ist, von einer Akademisierung zu sprechen, oder ob die inhaltliche Ausgestaltung der tertiären Bildungsprogramme nicht eher in eine »berufsorientierte« Richtung driftet.
Trotz eines hohen Anteils an Erwerbstätigen mit Hochschulzugangsberechtigung ist im Bankensektor die duale Aus- und Fortbildung bislang die dominante Qualifizierungsstrategie. Doch wird die Branche auch weiterhin der allgemein zunehmenden Akademisierung standhalten? Und welche Optionen bieten sich, um diese traditionell gewachsenen Fortbildungsstrukturen auch künftig attraktiv zu halten? Anhand von Daten zur aktuellen und zukünftigen Beschäftigungssituation im Bankensektor werden im Beitrag Anforderungen an die künftige Gestaltung der Aufstiegswege für die Branche reflektiert. Dabei werden veränderte Rahmenbedingungen und Chancen durch die Einführung des DQR beleuchtet.
Handlungs- und Kompetenzorientierung haben sich als Leitprinzipien der dualen Erstausbildung bereits seit den 1990er-Jahren etabliert. Sukzessive wird dieser Standard nun auch in der beruflichen Fortbildung implementiert. Die damit verbundenen didaktischen Herausforderungen bei der Umsetzung von Curricula werden im Beitrag am Beispiel der Vorbereitungskurse auf Teil III der Meisterprüfung aufgezeigt und in ihren Konsequenzen reflektiert.
Aus Sicht der UNESCO bedeutet Inklusion im Sinne des Leitmotivs »Bildung für alle«, dass alle Menschen – unabhängig von besonderen Lernbedürfnissen, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen – die Möglichkeit haben, an hochwertiger Bildung teilzuhaben. Für die duale Berufsausbildung hieße dies, allen ausbildungsinteressierten jungen Menschen nach Verlassen der Schule unmittelbaren Zugang zu gewähren, ohne zuvor im Übergangsbereich ihre »Ausbildungsreife« herzustellen. Eine entsprechende Umgestaltung des Ausbildungssystems wäre allerdings sehr voraussetzungsvoll. Der Beitrag beschreibt, wie Berufsbildungsexperten auf einen solchen Vorstoß reagieren und wie sie dessen Realisierungschancen beurteilen.
Im Rahmen eines Modellprojekts sollte ein Gesamtkonzept zur individuellen Förderung der Teilnehmenden in einem Reha-Vorbereitungslehrgang entwickelt werden. Bestandteil dieses Konzepts war u.a. ein eigens für diesen Zweck entwickeltes Lerntagebuch. Neben der konkreten Gestaltung des Lerntagebuchs und seiner Einbindung ins pädagogische Gesamtkonzept werden im Beitrag Potenziale und Herausforderungen mit Blick auf die Zielgruppe »berufliche Rehabilitanden« skizziert.
Jährlich legen rund 30.000 Absolventinnen und Absolventen ihre Prüfung in bundeseinheitlichen kaufmännischen Fortbildungsberufen auf Meister-/ Bachelorebene ab. Ihre Bedeutung und die Zuordnung der Abschlüsse auf Niveau 6 des DQR förderten in den vergangenen Jahren konzeptionelle Entwicklungen zur Standardisierung dieser Fortbildungsregelungen. Der Beitrag zeigt Funktionen dieser Berufe auf, stellt die handlungs- und prozessorientierte BIBB-Konzeption für berufsübergreifende Qualifikationen (BeQua) vor und gibt Einblick in Strukturdiskussionen, die mit der Umsetzung in künftigen Verordnungen einhergehen.
Die Empfehlung des BIBB Hauptausschusses vom 12. März 2014 für Eckpunkte zur Struktur und Qualitätssicherung der beruflichen Fortbildung ist ein wichtiger Beitrag, die Qualität der bundesweiten Fortbildungsabschlüsse transparent zu machen und durch die Zuordnung zum DQR ihre Gleichwertigkeit mit hochschulischen Bildungsabschlüssen nachzuvollziehen. Im Beitrag werden die wesentlichen Punkte der Empfehlung dargestellt und weiterführender Handlungsbedarf aus Arbeitnehmersicht aufgezeigt.