Warum ist die Berufsbildung heute so, wie sie ist? Im Sinne einer Selbstvergewisserung richten die Beiträge im Heft den Blick zurück. Ausgehend von aktuellen Fragestellungen zeichnen sie Entwicklungslinien der Berufsbildung in Deutschland nach. Themen sind u. a. Strukturfragen bei der Entwicklung von Ausbildungsordnungen, berufspädagogische Leitkonzepte, das Selbstverständnis des betrieblichen Bildungspersonals, Entwicklungslinien der Berufsbildungsforschung und auch eine erste Annäherung an den Transformationsprozess der Berufsbildung in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung.
Im Editorial schreibt BIBB-Forschungsdirektor Prof. Dr. Reinhold Weiß: „Sich der Ursprünge und historischen Entwicklungen zu vergegenwärtigen, bildet einen genuinen Bestandteil von Professionalität“. In diesem Sinne lädt die BWP-Ausgabe zur Selbstreflexion ein, die für die Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen inspiriert.
Laut BIBB-Datenreport 2012 wird etwa jeder fünfte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst. In diesem Beitrag wird auf der Grundlage von Daten des BIBB-Qualifizierungspanels der Anteil der Betriebe, die von Vertragslösungen betroffen sind, ermittelt und der Frage nachgegangen, welche Betriebe in besonderem Maß davon betroffen sind. Darüber hinaus wird untersucht, ob das Risiko einer vorzeitigen Vertragslösung mit den unterschiedlichen Motiven der Betriebe variiert, sich an der Ausbildung von Jugendlichen zu beteiligen.
Die Neuordnung der Metall- und Elektroberufe gehört zu den Meilensteinen in der jüngeren Berufsbildungsgeschichte. Sie ist ein hervorragendes Beispiel, um zu verdeutlichen, warum das duale System ein „lernendes System“ ist: Das Zusammenwirken von Wissenschaft, Politik und Praxis in Neuordnungsprojekten war und ist die beste Voraussetzung dafür, die gewaltige Komplexität, die mit der Entwicklung von anspruchsvollen Berufen für ausbildungsintensive Wirtschaftsbereiche einhergeht, in praxisorientierte Lösungen zu überführen. Die Neuordnung der Metall- und Elektroberufe gehört heute noch zu den Referenzbeispielen für innovative Ordnungsarbeit. Die mit ihr verfolgten berufspädagogischen Ziele – insbesondere die Förderung der beruflichen Handlungsfähigkeit – werden aktuell in den Ansätzen für eine kompetenzorientierte Berufsausbildung fortgeschrieben. Aus dem Rückblick, in dem Wegbereiter und Gestalter bedeutsame Aspekte dieses Projekts noch einmal nachzeichnen, lässt sich vieles für die Lösung von Herausforderungen in der Ordnungsarbeit mitnehmen.
Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen EU-Mitgliedstaaten wächst aktuell das Interesse an Modellen dualer und alternierender Berufsausbildung. Mit Bezug auf die neu formulierte EU-Strategie auf dem Gebiet der Berufsbildungspolitik warnt der Autor jedoch vor einer kurzfristig gedachten Transferierbarkeit des deutschen Ausbildungsmodells zur Lösung sozialer Probleme. Im historischen Rückblick wird deutlich, dass es sich hierbei um ein Arrangement handelt, das in langjähriger Entwicklung entstanden ist und im Lauf der Zeit hochkomplexe Beziehungen zu zahlreichen weiteren gesellschaftlichen Subsystemen eingegangen ist. Trotz vieler Vorzüge des kooperativen Ausbildungssystems weist der Autor abschließend darauf hin, dass auch in Deutschland das Problem der Jugendarbeitslosigkeit und sozialen Integration von Jugendlichen nicht gänzlich gelöst ist und mahnt Reformbedarf an.
Ein wesentliches Merkmal entwickelter Berufsbildungssysteme ist die Existenz von Ordnungsvorgaben. Berufliche Bildung funktioniert nach bestimmten Regeln und Ordnungsprinzipien und unter Beteiligung von Akteuren aus Staat und Wirtschaft. Damit werden wichtige Qualitätsstandards erfüllt und wird eine überbetriebliche Vergleichbarkeit sichergestellt. Was heutzutage beinahe selbstverständlich erscheint, war vor rund 100 Jahren keineswegs so. Das Deutsche Kaiserreich – noch geprägt durch Jahrhunderte der Kleinstaaterei – war weit von solchen Vereinheitlichungstendenzen entfernt.
Im Beitrag wird die Entwicklung der Ordnung von Berufen seit Beginn des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet. Dies erfolgt mit Blick auf die Akteure und das Zusammenspiel wirtschaftlicher und staatlicher Interessen, durch die dieses korporatistische Modell wesentlich geprägt ist.
Über 50 kaufmännische Ausbildungsberufe bilden die zunehmende Bedeutung kaufmännischer Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ab. Die Überlegung, wie in diesem Bereich Ausbildungsberufe in Berufsgruppen zusammengeführt werden können, steht und fällt mit dem Grad der Affinität der zusammenzuführenden Berufe. Hierzu kann ein Blick in die Historie der Entwicklung kaufmännischer Berufe hilfreich sein. Da ein hohes Maß an Differenzierung für ein geringes Maß an Affinität spricht, wird in diesem Beitrag nachgezeichnet, nach welchen Kriterien die Differenzierung des kaufmännischen Bereichs erfolgte. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung früherer Versuche zur Zusammenführung von kaufmännischen Ausbildungsberufen werden abschließend Schlussfolgerungen und Anregungen für die aktuelle Diskussion gegeben.
Mit der politischen Entscheidung zur Übernahme des Berufsbildungsgesetzes zum 1. September 1990 für die DDR war auch in der Berufsbildung gemeinsames Handeln gefragt. Das enorme Tempo beim Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten brachte weitreichende Konsequenzen und Veränderungen für die berufliche Bildung mit sich. Der Beitrag versucht, sich dieser bislang noch nicht systematisch erforschten Zeit gesamtdeutscher Berufsbildung über einen exemplarischen Ansatz anzunähern, der aus subjektiver Sicht Entwicklungen rekapituliert und ausgewählte Maßnahmen und Initiativen beleuchtet. Vor diesem Hintergrund wird abschließend aufgezeigt, wie aus den Erfahrungen des Umbruchs das bundeseinheitliche Berufsbildungssystem „dazugelernt“ hat oder vielleicht noch dazulernen könnte.
Die Berufsbildungsforschung ist durch eine Vielzahl an Akteuren, Forschungsfeldern, Gegenständen, Fragestellungen und Entwicklungsaufgaben charakterisiert. Sie besitzt demnach ein sehr breites Profil, das sich zusehends ausdifferenziert. Ihr zentraler Anspruch ist es, den Zusammenhang von Beruf, Erwerbsarbeit und Bildung zu erforschen.
Diese Aufgaben profilieren nicht erst seit den 1960er-Jahren ihr Selbstverständnis. Vielmehr reicht ihre Geschichte bis in die vorindustrielle Zeit zurück. Welche Leitmotive die Entwicklung des Selbstverständnisses der Berufsbildungsforschung seit der Industrialisierung Deutschlands maßgeblich beeinflussten, wird im Beitrag an zwei Beispielen beleuchtet, die auf je eigene Weise berufsbildungsgeschichtlich bis in die Gegenwart bedeutsam sind: das Kaiserreich und die Zeit der national sozialistischen Diktatur.
Die Berufspädagogisch-historischen Kongresse, die in den 1980er- und 1990er-Jahren in Kooperation zwischen universitären Berufspädagoginnen und -pädagogen und dem BIBB durchgeführt worden sind, haben einen wichtigen Beitrag zur historiografischen Berufsbildungsforschung geleistet, vielfältige Anlässe zu kritischen Reflexionen gegeben und zu neuen sachlichen Argumenten geführt. Die Themen der Kongresse haben sich auf das 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentriert. Jetzt, da die Rekonstruktion der Berufsbildungsgeschichte in der Nachkriegszeit dringend ansteht, soll an sie erinnert werden.
GEORG KERSCHENSTEINER als prominenter Vertreter der berufs- und wirtschaftspädagogischen Klassik, wollte Bildung und Beruf nicht als Gegensatz und lediglich als Fachbildung zur Bereitstellung von Berufsfertigkeiten verstanden wissen. Die Ausrichtung auf Kultur und Politik war eine ebenso bedeutsame Grundlage der Bildung wie der Erwerb berufsrelevanter Kompetenzen. Ein umfassendes Verständnis von Beruf und Bildung ist auch heute angesichts des Europäischen Qualifikationsrahmens bedeutsam. Mit Bezug auf die aktuellen Bildungsreformdiskussionen befasst sich der Beitrag mit dem immer wieder neu zu bestimmenden auch institutionell zu regelnden Verhältnis von Allgemein- und Berufsbildung, das im Dienste der gesellschaftlichen Reform steht und berufsfachliche Bildung mit allgemeiner Bildung verschränkt.
Die bildungspolitische Entscheidung am Ende des 19. Jahrhunderts, sogenannte Fortbildungsschulen als Ergänzung zur vornehmlich handwerklichen Meisterlehre zu etablieren, lieferte dem dualen Ausbildungskonzept mit seinen zwei Lernorten die Grundlage. Im 20. Jahrhundert prägten vor allem die Verrechtlichung von betrieblicher und schulischer Ausbildung sowie technologische Innovationen die institutionelle Dynamik der Lernorte. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Systemebene organisierter Berufsbildung und deren Institutionen (Lernorte), der Wandel berufspädagogischer Konzepte als Antwort auf die Lernortproblematik sowie Veränderungen im Hinblick auf die Entwicklung virtueller Lernwelten.
Eine historisch-systematische Forschung, die sich mit dem Professionswissen, den Handlungsstrukturen, den Arbeitssituationen und dem Berufsbewusstsein des betrieblichen Bildungspersonals differenziert beschäftigt, existiert nur in Ansätzen. Dies hängt u. a. damit zusammen, dass die Berufs- und Wirtschaftspädagogik lange Zeit überwiegend Berufswissenschaft der Berufsschullehrkräfte war und das betriebliche Ausbildungspersonal erst seit Erlass des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) zu ihrem Gegenstand gemacht hat. Im Rückblick auf das vergangene Jahrhundert wird im Beitrag verdeutlicht, wie stark die Auffassungen von der betrieblichen Ausbildungstätigkeit vom Menschenbild der jeweiligen Zeit abhängen. Zudem werden Gründe für ein vergleichsweise gering ausgeprägtes professionelles Selbstverständnis des betrieblichen Ausbildungspersonals erörtert. Bei der Beantwortung der Frage, was Berufsausbilder/-innen zukünftig können und demzufolge wissen müssen, gilt es stärker als bisher, Erkenntnisse zu nutzen, welche die berufs- und wirtschaftspädagogische Forschung bereithält.
Die österreichische Lehrerbildung befindet sich in einem massiven akademischen Umbruch. Im Jahr 2006 wurde die gesamte Pflichtschullehrerausbildung – und damit auch die Berufsschullehrerausbildung – den neu gegründeten Pädagogischen Hochschulen (PHs) überantwortet. Dieser ‚institutionelle Professionalisierungsschub‘ in Richtung Tertiärisierung blieb aber bisher unvollendet, weil sich der öffentlich-rechtliche Ausbildungsauftrag der PHs derzeit auf das Angebot von dreijährigen Bachelorstudien beschränkt. Der Beitrag erörtert historische Hintergründe der späten Akademisierungsbestrebungen in Österreich aus einer strukturellen Perspektive und beleuchtet aktuelle bildungspolitische Intentionen, die Berufsschullehrerausbildung bis zum Masterniveau auszubauen.
Der Deutsche Qualifikationsrahmen steht für Transparenz und Mobilität. Deutsche Bildungsabschlüsse sollen untereinander und mit europäischen Bildungsabschlüssen verglichen werden können, um den transnationalen Austausch auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verbessern. Dies sind vergleichsweise abstrakte Ziele. Doch wie kann der DQR auch für den Einzelnen fassbar werden? Mit der Ausweisung des DQR-Niveaus auf Ab schluss zeugnissen wäre ein wichtiger Schritt getan. Die zur Umsetzung dieser Maßnahme noch zu klärenden Fragen sind Gegenstand dieses Beitrags.
Die letzte Sitzung der achten Amtsperiode des Hauptausschusses fand unter Leitung von MONIKA WENZEL, Beauftragte des Landes Hessen, statt und hatte folgende thematische Schwerpunkte: die Beratung über die aktuelle Ausbildungsplatzsituation und die Stellungnahme zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2013, die internationale Berufsbildungskooperation sowie das Thema digitale Medien in der Berufsausbildung.