In der Dienstleistungsgesellschaft gewinnt Kommunikation im Beruf zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig beklagen Betriebe immer öfter mangelnde sprachliche und kommunikative Kompetenzen bei (Lehr-)Stellenbewerberinnen und -bewerbern. Doch welche Rolle spielt Sprache in der beruflichen Bildung und am Arbeitsplatz? Diese Frage greifen die Beiträge auf und beschäftigen sich mit dem Stellenwert von Sprache für die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz, mit Angeboten und Konzepten zur Sprachbildung sowie mit der Bedeutung von Fremdsprachenkompetenz in einer zunehmend globalisierten Arbeitswelt. Nachdem Ende Januar 2012 die Einführung des DQR verabschiedet wurde, fordert BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser im Editorial, nun den DQR mit Leben zu füllen und an der Umsetzung mit viel Energie weiterzuarbeiten. Weitere Beiträge im Heft befassen sich mit didaktischen Fragen der Kompetenzorientierung, mit tariflich geregelten Finanzierungsformen der beruflichen Weiterbildung. Zudem wird die BMBF-Initiative "Berufliche Bildung – praktisch unschlagbar" vorgestellt.
Die im Januar 2012 geschlossene Vereinbarung von Bund, Ländern sowie Wirtschafts- und Sozialpartnern über die Einführung des Deutschen Qualifikationsrahmens ist ein wichtiger Meilenstein für die Berufsbildung. Damit sind wesentliche Rahmenbedingungen geschaffen, um systemisch mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem zu fördern und letztlich mehr Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung zu erreichen. Nunmehr wird es erforderlich sein, an der Umsetzung des DQR weiterzuarbeiten, betont BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser im Editorial.
Die Stabilität von Ausbildungsverhältnissen kann als ein Indikator für die Effizienz und Leistungsfähigkeit des dualen Systems der Berufsausbildung betrachtet werden. Vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Ausbildungsdauer gelöste Ausbildungsverträge (kurz: Vertragslösungen) sind zwar nicht gänzlich vermeidbar und in einigen Fällen auch sinnvoll. Allerdings bedeuten sie i. d. R. zumindest einen Ressourcenverlust und sie können im schlimmsten Fall zum Ausstieg aus der Bildungsbeteiligung führen. Im Beitrag werden ausgewählte Befunde auf Basis der Berufsbildungsstatistik dargestellt.
Die allfälligen Klagen über die mangelnde Rechtschreibkompetenz von Auszubildenden sind hinlänglich bekannt. Diese sprachlichen Verstöße werden oft als Indikator für generell mangelnde sprachliche und kommunikative Fähigkeiten interpretiert. Verstöße gegen die Rechtschreibnorm bedeuten jedoch keineswegs, dass eine Person nicht kommunikativ erfolgreich sein kann. Der Beitrag nimmt aus sprachwissenschaftlicher Perspektive eine systematische Differenzierung zwischen sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten vor und erläutert, welche Fähigkeiten damit gemeint sind. Auf Basis empirischer Erhebungen wird sodann diskutiert, welche sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten von Auszubildenden verlangt werden und inwiefern die im Bewerbungsverfahren abgefragten Kompetenzen in Zusammenhang mit den in der Ausbildung erforderlichen Kompetenzen stehen.
Im Beitrag wird, ausgehend von einer Definition von Fachsprache, diskutiert, welche Rolle Fachsprache und fachsprachliche Kompetenz für die Fachidentität spielen. Befördert durch eine zunehmende Spezialisierung und Ausdifferenzierung von Fächern und Berufen, gerät eine sprachlich konstituierte Fachidentität in interfachlichen oder fachexternen Zusammenhängen nicht selten in Konflikt mit den Erwartungen von Laien in Bezug auf eine verständliche Vermittlung von Expertenwissen. Der Beitrag betont vor diesem Hintergrund die Bedeutung einer Verständigungskompetenz von Expertinnen und Experten und legt abschließend dar, was unter einer "fachlichen Sprachkultiviertheit" im gesellschaftlichen Kontext verstanden werden könnte.
Sprachverwendung in Schrift und in sozialer Interaktion ist für kaufmännische Berufe wesentlich. Das zeigt dieser Beitrag mit Verweisen auf die Geschichte der kaufmännischen Berufe und Inhaltsanalysen aktueller kaufmännischer Ausbildungsordnungen. Vorgestellt werden Erkenntnisse aus dem BIBB-Forschungsprojekt "Gemeinsamkeiten und Unterschiede kaufmännisch-betriebswirtschaftlicher Aus- und Fortbildungsberufe (GUK)", die die Bedeutung von Sprache für kaufmännisches Handeln veranschaulichen. Hierbei wird deutlich, dass für die professionelle Ausübung kaufmännischer Tätigkeiten die auf Sprache basierende Kontrolle komplexer Geschäftsprozesse sowie die kommunikative Vermittlungstätigkeit zentral sind. Deren systematische Vermittlung wird jedoch überwiegend in den arbeitsplatzfernen Sprachunterricht der Berufsschule delegiert.
Der Übergang Schule – Beruf ist mehrsprachig, was aber in den Curricula eine untergeordnete Rolle spielt. Die Wahrnehmung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt und ihre Nutzung für die pädagogische Arbeit bleiben damit einzelnen pädagogischen Fachkräften überlassen, die damit häufig allein gelassen werden. Im Beitrag wird dafür plädiert, Mehrsprachigkeit und Sprachbildung als einen integralen Bestandteil des Übergangs zu etablieren und Fachkräfte entsprechend zu qualifizieren. Einen Ansatzpunkt bietet das Konzept der durchgängigen Sprachbildung, das allerdings im Übergangsbereich noch nicht flächendeckend angekommen ist. Transparenz und Kooperation zwischen allen Akteurinnen und Akteuren ist dafür grundlegend, die Qualifizierung der Mitarbeitenden ein Desiderat.
Nicht alle jungen Leute, die eine Ausbildung beginnen bzw. beginnen wollen, sprechen so gut Deutsch, dass sie die damit verbundenen sprachlichen und kommunikativen Anforderungen bewältigen können. Wie ein BIBB-Forschungsprojekt zur Bedeutung des Migrationshintergrunds in der Ausbildung zeigt, ist das Ausbildungspersonal auf Schwierigkeiten, die sich daraus im betrieblichen Alltag ergeben können, in der Regel nicht vorbereitet. Damit sprachlich-kommunikative Fähigkeiten auch am Lernort Betrieb gefördert werden können, sollte das Ausbildungspersonal dafür sensibilisiert und qualifiziert werden.
In der Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gibt es kaum mehr Tätigkeiten, bei denen Sprachkenntnisse keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Berufssprachliche und arbeitsplatzbezogene Deutschkenntnisse spielen daher eine zentrale Rolle bei der Integration und Beschäftigungssicherung von Menschen mit Migrationshintergrund. Im Beitrag werden Zielsetzung, Rahmenbedingungen und Inhalte des ESF-geförderten Programms "Berufsbezogene Förderung Deutsch als Zweitsprache" des BAMF am Beispiel der Zielgruppe Pflegekräfte beschrieben. Ziel der Kurse ist es, durch eine Verbindung von sprachlicher und fachlicher Qualifizierung zugewanderte Fachkräfte für die Anforderungen im Beruf fit zu machen.
Ist die sichere Beherrschung der Schriftsprache Voraussetzung, um im Beschäftigungssystem integriert zu sein? Ein systematischer Ausschluss funktionaler Analphabetinnen und Analphabeten aus dem Erwerbsleben lässt sich auf Basis aktueller empirischer Befunde nicht bestätigen. Dies wird aus den Ergebnissen der leo. – Level-One Studie deutlich, nach der 57 Prozent der Betroffenen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Ihre Erwerbsmöglichkeiten sind aber häufig auf Tätigkeitsfelder beschränkt, in denen einfache Hilfstätigkeiten für Un- oder Angelernte mit der Implikation niedriger Einkommen und geringer Aufstiegsmöglichkeiten vorherrschen. Der insgesamt hohe Grad an Beschäftigung eröffnet jedoch Perspektiven für mögliche Kampagnen zur Information von Betroffenen und ihrem Umfeld.
Multinationale Unternehmen wählen Englisch als Unternehmenssprache, weil sie davon ausgehen, dass dieses als Lingua Franca die Kommunikation über sprachliche und kulturelle Differenzen hinweg erleichtere. Allerdings unterscheiden sich in interkulturellen Teams die Erwartungen an Kommunikation: so können alltägliche Äußerungen wie Bitten oder Rückfragen bereits als unhöflich verstanden werden, wenn muttersprachliche Muster des Bittens oder Fragens in die Fremdsprache übertragen werden. Mehrsprachige Teams stehen damit vor sprachlichen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, wenn eine effiziente Zusammenarbeit und Kommunikation möglich sein soll. Im Beitrag werden anhand eines Fallbeispiels mögliche Probleme in der Lingua-Franca-Kommunikation sowie Lösungsstrategien skizziert. Hierbei werden beobachtbare Sprachpraxis sowie Einschätzungen der Teammitglieder gegenübergestellt und die Rolle der Sprachpolitik des Unternehmens herausgestellt.
Mit zunehmender Internationalisierung der Arbeitsmärkte gewinnen die Fremdsprachenkenntnisse von Beschäftigten neben ihren fachlichen Qualifikationen an Bedeutung. An der Ecole Nationale Supérieure des Techniques Avancées (ENSTA) Bretagne wurde der Erwerb der Zweitfremdsprache im Rahmen einer kompetenzorientierten Ausrichtung des Ingenieurstudiums neu konzipiert. Ziel ist es, Ingenieurinnen und Ingenieure berufs- und anwendungsbezogen so zu qualifizieren, dass sie nach ihrem Studium sowohl technologisch anspruchsvolle Tätigkeiten als auch Führungsaufgaben in internationalen Arbeitskontexten übernehmen können. Am Beispiel des Erlernens einer zweiten Fremdsprache wird im Beitrag dargestellt, wie der Fremdsprachenerwerb in das Ingenieurstudium integriert wird, das in weiten Teilen projektförmig organisiert ist und auf Selbstlernphasen basiert. Abschließend werden erste Erfahrungen in der Umsetzung bilanziert.
Im Beitrag werden im Rahmen des LEONARDO-Innovationstransferprojekts BILVOC II konzipierte Fortbildungsmaßnahmen beschrieben, die Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen bei der Ein- und Durchführung bilingualer Module im Sachfachunterricht nachhaltig unterstützen. Neben Voraussetzungen, die es bei der Einführung bilingualen Unterrichts zu beachten gilt, werden Faktoren für die erfolgreiche Implementierung benannt.
International aktive Unternehmen wie die Fraport AG sind auf interkulturell kompetente Beschäftigte angewiesen, die sprachlich versiert und mit großem Feingefühl mit Menschen anderer Kulturen umgehen können. Um Frankfurt als internationales Drehkreuz weiter auszubauen und der internationalen Ausrichtung des Konzerns Rechnung zu tragen, wird auch die berufliche Erstausbildung junger Menschen zunehmend international gestaltet. In dem kooperativen, dualen Studiengang Bachelor Luftverkehrsmanagement ist die Förderung der interkulturellen Kompetenz und der Fremdsprachenkompetenz fester Bestandteil des Curriculums.
Die europäische Bildungsstrategie ist eine Outcomestrategie. Sie fokussiert auf die tatsächlichen Kompetenzen der Menschen, wodurch die Inputgrößen (z. B. Curriculum, Lernzielpräzisierung), aber auch die auf den Prozess bezogenen Professionalisierungsbemühungen (z. B. Lehrerbildung) viel von ihrer bisherigen Substanz einbüßen. Der Blick auf die Evidenz der Kompetenz verdeutlicht: Inhalte allein bilden nicht, und sie stiften auch keine Kompetenzen. Es ist vielmehr die innere Bewegung der Aneignung und Erprobung von Problemlösungen, von denen nachhaltige Veränderungen im Selbstwirksamkeitserleben und in der Kompetenzreifung der lernenden Subjekte angestoßen werden können. Diese nicht neue Einsicht hat den Mainstream der Debatten in Pädagogik und Bildungspolitik erst in Ansätzen erreicht. Die Kompetenzdebatte wird vornehmlich unter curricularer und weniger unter didaktischer Perspektive geführt. Der Beitrag untersucht deshalb die Fragestellung, welche didaktischen Konsequenzen mit der Outcomeorientierung für die Aus- und Weiterbildung verbunden sind.
Tarifliche Regelungen zur betrieblichen Weiterbildung und Qualifizierung wurden in den letzten Jahren in einer Reihe großer Tarifbereiche vereinbart. Nur wenige dieser Tarifverträge beteiligen über ein Fondssystem alle zugehörigen Betriebe an der Weiterbildungsfinanzierung und begreifen damit die Qualifizierung von Fachkräften nicht mehr als einzelbetriebliches Problem, sondern als Herausforderung für die gesamte Branche. Regelungsmuster, aktuelle Umsetzungspraxis und Potenzial tariflicher Weiterbildungsfonds werden am Beispiel der Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes dargestellt.
Die Vorzüge der dualen Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung sind bei Jugendlichen und Beschäftigten noch nicht ausreichend bekannt. Eine gemeinsame Informationsoffensive der Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie Wirtschaft und Technologie (BMWi) mit den im Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs vertretenen Wirtschaftsverbänden soll dies ändern.
Die Aufforderung eines Arbeitgebers, Angestellte zum Besuch eines Deutschkurses außerhalb der Arbeitszeit auf eigene Kosten zu verpflichten, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 22. Juni 2011 (8 AZR 48/10) beleuchtet. Laut Urteilsbegründung kann die Aufforderung Beschäftigte, die Deutsch als Zweitsprache sprechen, mittelbar diskriminieren. Dies führt dann zu möglichen Schadensersatzansprüchen (§ 15 AGG). Außerdem kann damit gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstoßen werden.