Im Blickpunkt der Ausgabe steht die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz. Den Leserinnen und Lesern liefert diese Ausgabe in acht Beiträgen ausführliche Informationen zu Fragen der Ausgestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen, zu den Möglichkeiten von Kompetenzdiagnostik und -bilanzierung sowie zur Förderung der Kompetenzentwicklung von Lehrenden und Lernenden. Im Kommentar "Wie es gehen könnte - Wege zur Anerkennung informell erworbener Kompetenzen" identifiziert Professor Dr. Reinhold Weiß, Forschungsdirektor des BIBB, vier Handlungsfelder, von denen wichtige Impulse für die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen ausgehen sollten: die Kompetenzmessung als Feedbackinstrument, als Voraussetzung für die Zulassung zu Bildungsgängen und Abschlussprüfungen sowie als Basis für die Anrechnung von Kompetenzen auf Bildungsgänge. Weitere Themen beschäftigen sich mit der dualen Berufsausbildung in der Dienstleistungsgesellschaft, der Aufwertung der beruflichen Bildung in der Entwicklungszusammenarbeit und der bulgarisch-deutschen Ausbildungskooperation.
Kompetenzmessung und -bewertung (Kompetenzdiagnostik) gewinnen für die berufliche Bildung zunehmend an Bedeutung. In den Abschlussprüfungen soll nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) die berufliche Handlungsfähigkeit erfasst und beurteilt werden. Vor der Berufsbildungsforschung steht die Frage, auf welcher theoretischen und konzeptionellen Grundlage Kompetenzen gemessen und bewertet werden können. Dazu ist zu klären, was Kompetenz ist und wie dieses Kompetenzverständnis in Ausbildungsordnungen verankert werden kann. Im Beitrag wird ausgehend von der Kompetenzdiagnostik in der Berufsausbildung die Diskussion um Kompetenzorientierung in Ausbildungsordnungen aufgegriffen, und es werden Elemente eines Modells vorgeschlagen, mit dessen Hilfe berufliche Kompetenzen in Ausbildungsordnungen systematisch abgebildet werden können.
Kompetenzansätze sind das bevorzugte Paradigma nationaler und internationaler Bildungspolitiken für die neuen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. In der Umsetzung gilt es, hierfür geeignete Möglichkeiten zur Erfassung und Bewertung von Kompetenzen bereitzustellen. Zahlreiche Kompetenzbilanzen bieten bereits ein entsprechendes Instrumentarium an. Bei diesen steht zumeist die individuelle berufliche Orientierung und Weiterentwicklung im Vordergrund; sie basieren überwiegend auf einer multidimensionalen, eher analytischen Kompetenzkonzeption, bei der u.a. Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhalten Dimensionen von Kompetenz abbilden. Das schweizerische Kompetenzmanagementsystem, die französische Kompetenzbilanz und die norwegische Realkompetanse-Dokumentation, die im Beitrag betrachtet werden, sind herausgehobene Beispiele der Entwicklung und Anwendung von Kompetenzbilanzen.
Ulrich Degen; Monika Bethscheider; Gabriela Höhns; Anke Settelmeyer; Gesa Münchhausen
Berufliche (Handlungs-)Kompetenz ist ein Schlüsselbegriff, wenn es darum geht, das Ziel von beruflicher Aus- und Weiterbildung zu beschreiben. Die Vermittlung von Grundlagen und die Ausführung erster routinierter Handlungsabläufe als Ausdruck beruflicher Kompetenz sind Aufgabe der Ausbildung. Aufrechterhaltung, Weiterentwicklung und Nutzung dieser Kompetenz sind aus Sicht der Berufsbildung zentrale Anliegen einer zukunftsfähigen Beschäftigung. In diesem Beitrag werden an zwei ausgewählten Forschungsprojekten (Handlungskompetenz und Migrationshintergrund, Kompetenzentwicklung in befristeten Beschäftigungsverhältnissen) exemplarische Forschungsfragen beruflicher Kompetenzentwicklung diskutiert und damit zusammenhängende Forschungsfelder skizziert.
Moderne Produktionskonzepte und ganzheitliche Produktionssysteme bilden die Grundlage heutiger und zukünftiger Produktion. Konsequente Prozessorientierung und Verschlankung dieser Prozesse stehen dabei im Zentrum. Diese Entwicklungen haben nicht nur Auswirkungen auf leitende Mitarbeiter, sondern wirken direkt auf die operativen Mitarbeiter und erfordern hier neue und veränderte Kompetenzen. Im Mittelpunkt des Artikels steht die Darstellung dieser neu entstehenden oder an Bedeutung gewinnenden Kompetenzen. Des Weiteren werden Kompetenzen hervorgehoben, die durch Teamarbeit relevant sind, da dies neben der Prozessorientierung bezeichnend für die modernen Produktionskonzepte ist. Das Verständnis beruflicher Handlungskompetenz ist aufgrund dieser 'breiten' Entwicklung insgesamt zu erweitern und ggf. zu verändern. Abschließend wird ein Profil beruflicher Handlungskompetenz für die Facharbeit in modernen Produktionskonzepten gezeichnet.
Vor allem für Ausbilder besteht eine der gravierenden Konsequenzen ihrer Aufgabe, nun 'Kompetenzen' entwickeln zu sollen, darin, einen Rollen -und Haltungswechsel vornehmen zu müssen. Der Wechsel von einem Unterweiser hin zu einem Lernprozessbegleiter ist jedoch mit wesentlichen Veränderungen der bisherigen Maßstäbe und Zielbilder verbunden. Diese werden hier herausgearbeitet. Es wird deutlich: Die Grundhaltung der 'Lernprozessbegleitung' ist offenbar nicht nur für den Bereich der Erstausbildung bedeutsam, sondern darüber hinaus für alle Felder der (beruflichen) Bildung und sollte daher in all diesen Anwendung finden.
Der Beitrag zeigt auf, wie notwendig es ist, unterschiedliche Diskussionszusammenhänge zum Kompetenzansatz in der beruflichen Bildung zu verbinden, die Ergebnisse zu verknüpfen und innovative Ansätze weiterzuentwickeln. Die bundesweiten Modellprojekte zur Flexibilität und Gestaltungsoffenheit bei der Umsetzung von Ausbildungsordnungen erarbeiten mit Hilfe der berufspädagogischen Handlungsforschung Konzepte, Modelle und Instrumente zur Verbesserung der Berufsbildungspraxis. Sie werden unter wissenschaftlicher Begleitung in der Praxis erprobt und in die Fachöffentlichkeit getragen. Das Ziel ist die Entwicklung, Implementierung und Evaluation innovativer Kompetenzmodelle.
Das Leonardo-da-Vinci-Projekt TEVAL - Evaluation Model for Teaching and Training Practice Competences (Laufzeit Februar 2005 bis Juli 2007) wurde in Anbetracht des Bedarfs an einer gemeinsamen europäischen Grundlage für die Evaluation von Lehrenden initiiert. Ziel war die Entwicklung eines Evaluationsansatzes, welcher hilft, die Kompetenzen von Lehrpersonen zu bestimmen und zu überprüfen. Lehrende können mittels des Modells ihre eigenen Kompetenzen reflektieren und systematisch verbessern. Am Projekt beteiligt sind Organisationen aus Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien und Portugal. Ausgehend von der Darstellung des Kompetenzmodells und seiner zentralen Dimensionen wird das zentrale Produkt des Projekts - ein Handbuch für die Implementierung des Evaluationsmodells - vorgestellt.
Im Rahmen des Modellversuchs "Change - Chance/Förderung der Beschäftigungsfähigkeit bei Auszubildenden und Mitarbeitern durch Erwerb von Veränderungskompetenz" (Laufzeit: September 2004 bis August 2008) wurden in Ostwestfalen-Lippe 1051 Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr zum Umgang mit Veränderungen - insbesondere zum Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung - befragt. Dabei wurden geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt. Veränderungssituationen werden von den Frauen problematischer und von den Männern positiver beschrieben und gesehen. Bei der Bewältigung dieser Situationen spielen zudem die individuellen Stärken der Auszubildenden eine wichtige Rolle.
Dem dualen System der Berufsausbildung in Deutschland wird häufig attestiert, dass es den Sprung in die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft nicht geschafft habe und dem Produktionsbereich zu starr verhaftet sei und aufgrund ihrer Integration in den Arbeitsprozess gegenüber der höheren Allgemein- und wissenschaftlichen Bildung immer weiter ins Hintertreffen gerate. Der Aufsatz untersucht auf der Grundlage von Ergebnissen empirischer Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), ob die Strukturen des dualen Systems tatsächlich noch den historischen Ursprüngen entsprechen. Die Ergebnisse belegen, dass mit dem Bedeutungszuwachs des Dienstleistungsbereichs zunächst eine Schwächung der betrieblichen Ausbildung verbunden war. Inzwischen hat sich die duale Ausbildung deutlich hin zur Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Nachholbedarf gibt es bei den stärker wissensorientierten Dienstleistungsberufen. Hier ist es besonders wichtig, die Diskussion nicht auf einen Konkurrenzaspekt zur Hochschulbildung zu verengen.
Der neue World Development Report der Weltbank behandelt das Thema Jugend und ihren Übergang in die Erwachsenen- und Arbeitswelt und gebraucht den Begriff "Berufliche Bildung" so häufig wie lange nicht mehr. Erlebt die berufliche Bildung und die internationale Berufsbildungszusammenarbeit (BBZ) eine Revitalisierung und Aufwertung bei Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ)? Diese Frage geht der Beitrag nach. Fazit: Gerade die deutsche BBZ kann aufgrund ihrer Erfahrungen und Leistungsfähigkeit im Kontext nachhaltiger Entwicklungsstrategien und einer Arbeitsteilung von bi- und multilateralen Gebern zukünftig weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Status und Praxis der deutschen BBZ werden dargestellt und insbesondere die Transferkompetenz der BBZ herausgestellt.
Der europäische Berufsbildungsraum entwickelt sich schrittweise von der Vision zur Realität. Dank des Leonardo-Programms, unterschiedlicher transnationaler Netzwerke und anderer europäischer Berufsbildungsinitiativen gibt es zwischen Bulgarien und Deutschland zahlreiche Kooperationen auf dem Gebiet der beruflichen Aus- und Weiterbildung. In dem Beitrag wird aus bulgarischer und deutscher Sicht auf ausgewählte Aspekte des transnationalen Netzwerkes und Leonardo-Projektes 'Enlargement, Employment and Vocational Educational Training (E2-VET)' eingangen. Als ein Beispiel guter Praxis hat sich die Kooperation auf dem Gebiet der Mechatronik erwiesen.
Eine neue Gesetzesinitiative der EU-Kommission zum Akkreditierungswesen von Produkten und Produktsicherheit könnte auch Auswirkungen auf die Berufsbildung haben. Der "new approach" im Bereich der Produktsicherheit könnte mittel- und langfristig auch die beruflichen Qualifikationen mit Blick auf gesetzliche Grundlegung einschließlich Profilgebung, Qualitätssicherung, Standardsicherung, Aktualisierung u.a.m. beeinflussen." Der Beitrag beleuchtet die Konsequenzen für die Berufsbildung.