Den Themenschwerpunkt der Ausgabe bildet die Förderung Jugendlicher mit besonderem Bedarf an Unterstützung. Unter anderem werden in den insgesamt zehn Beiträgen zu diesem Thema Entwicklungstrends in der Benachteiligtenförderung beleuchtet, ein Blick auf die Ausbildungsorganisation in England geworfen, die Bedeutung von Softskills geprüft und die Perspektiven von Jugendliche mit Migrationshintergrund untersucht.
Im Blickpunkt widmen sich Heike Solga und Gert G. Wagner der Frage, welche Rolle die Wissenschaft in der Ressortforschung und insbesondere im BIBB einnimmt. Im einleitenden Kommentar von Manfred Kremer, Präsident des BIBB und Professor Dr. Reinhold Weiß, Forschungsdirektor des BIBB, werden die zentralen Herausforderungen für das Bundesinstitut für Berufsbildung in den kommenden Jahren vorgestellt und reflektiert. Ein Beitrag zu Möglichkeiten und Grenzen von Ausbildungskapazitäten rundet die Ausgabe 1/2006 ab.
Die Autoren äußern sich zur Stellungnahme des Wissenschaftsrates, der die wissenschaftlichen Leistungen des BIBB begutachtet und deutliche qualitative Mängel konstatiert hat. Die Stellungnahme wird als Auftrag und als Chance gesehen, nicht nur die Berufsbildungsforschung, sondern das gesamte Aufgabenspektrum des BIBB im Rahmen des gesetzlichen Auftrags neu zu positionieren und qualitativ zu verbessern. Sich abzeichnende Eckpunkte des Konzepts werden skizziert.
Der Wissenschaftsrat hat im Frühjahr 2005 auf Wunsch der Bundesregierung die Qualität der Forschung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) evaluiert. Im Ergebnis fordert er das BIBB auf, die Forschungsqualität zu steigern, um so eine bessere Erfüllung der Amtsaufgaben zu erreichen. Im Beitrag wird eingehend erörtert, welche Rolle die Wissenschaft in der Ressortforschung und insbesondere am BIBB spielt. Ausgehend davon geben die Autoren, beide Mitglieder der Evaluierungskommission, erste Hinweise zur Verbesserung der Forschungsarbeiten im Institut.
Warum bilden Unternehmen immer weniger Jugendliche aus? Warum beteiligt sich ein Grossteil der Betriebe grundsätzlich nicht an Ausbildung? Wird die duale Ausbildung in Zukunft an Stellenwert verlieren oder gibt es Ansatzpunkte zur Stabilisierung oder sogar zur Erhöhung des aktuellen Ausbildungsplatzangebots? Dies waren zentrale Fragestellungen einer repräsentativen Befragung von 2.000 Unternehmen zwischen Oktober und Dezember 2004 des Bundesinstituts für Berufsbildung. Insgesamt zeigt sich eine relativ zurückhaltende Bewertung der Effektivität von Unterstützungsmaßnahmen, da die Ausbildungsbeteiligung stark an die jeweiligen betrieblichen Rahmenbedingungen gebunden bleibt.
Benachteiligtenförderung ist seit langem ein Bestandteil des Berufsbildungssystems. Ursprünglich stand die Frage im Vordergrund, wie für die Jungarbeiter ein sinnvolles Bildungsangebot der Berufsschule entwickelt werden könnte. Später, in den frühen 70er Jahren, sollte das Berufsvorbereitungsjahr die "Problemgruppen" des Berufsbildungssystems aufnehmen. Parallel dazu entstanden die ersten berufsvorbereitenden Lehrgänge, finanziert durch die Bundesanstalt für Arbeit. 1980 begann das sog. "Benachteiligtenprogramm" mit ca. 600 Ausbildungsplätzen in außerbetrieblichen Bildungseinrichtungen, bei Bildungsträgern. 1988 wurde das Programm in das AFG übernommen und damit zu einem Regelangebot gemacht. Seit 1982 gehören auch die "ausbildungsbegleitenden Hilfen" zum Unterstützungsangebot für betriebliche Auszubildende. Seit geraumer Zeit tauchen jedoch Fragen bzw. Forderungen nach Optimierung des Fördersystems auf. Gezielte und individuelle Förderung, Optimierung der Lernformen, Verbesserung der sozialpädagogischen Betreuung und Anbindung an die betriebliche Praxis, Zertifizierung erworbener Kompetenzen sind Stichworte, die die aktuelle Diskussion prägen. Der Beitrag geht diesen Entwicklungen nach.
Unter dem unzureichenden Angebot an Ausbildungsplätzen leiden ganz besonders die weniger leistungsfähigen Schulabsolventen. Dennoch zwingt der demographische Wandel dazu, gerade auch diese potenziellen Mitarbeiter auf angemessene, zeitgemäße Weise zu qualifizieren und auf ein möglichst hohes Ausbildungsniveau zu bringen. Der Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, welche hilfreichen Impulse hierzu von der englischen Ausbildungspraxis ausgehen und in wieweit sich diese im reformierten Berufsbildungsgesetz widerspiegeln. Im Mittelpunkt steht dabei das Potenzial modularer Ausbildungsansätze unterschiedlicher Prägung.
Die Initiativstelle Berufliche Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten im Bundesinstitut für Berufsbildung (IBQM) ist seit Beginn des Programms "Kompetenzen fördern - Berufliche Qualifizierung von Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf" (BQF-Programm) des BMBF im November 2001 für die fachliche Beratung und wissenschaftliche Begleitung der auf dieser Grundlage geförderten Projekte und Netzwerke zuständig. Der Artikel beleuchtet Probleme und Perspektiven einer Umsetzung der bildungs- und berufsbildungspolitischen Ziele des Programms im Rahmen der Projekte. Es wird deutlich, dass diese Zielgruppe unter dem dramatischen Rückgang des Ausbildungsplatzangebots und dem verschärften Verdrängungswettbewerb besonders zu leiden hat; es zeigt sich aber auch ihre Chance, vorhandene kommunikative, soziale und kulturelle Kompetenzen auf dem internationalisierten Arbeitsmarkt verstärkt einzubringen."
Auf der Grundlage der Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung "Interkulturelle Kompetenzen junger Fachkräfte mit Migrationshintergrund: Bestimmung und beruflicher Nutzen" wird exemplarisch für ausgewählte Berufe (Arzthelferinnen, Einzelhandelskaufleute, Speditions- und Außenhandelskaufleute) gezeigt, wie diese Fachkräfte interkulturelle Kompetenzen in ihrem Berufsalltag einsetzen. Es wird deutlich, dass sich der Einsatz berufsspezifisch unterscheidet und dass Betriebe in erheblichem Maße von diesen zusätzlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren.
Der Beitrag stellt die berufsbegleitende Nachqualifizierung als besonderes Qualifizierungskonzept für Jugendliche und (junge) Erwachsene zum nachträglichen Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses vor, beschreibt die zahlenmäßige Entwicklung der Gruppe der jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss, die veränderten Rahmenbedingungen für ihre Qualifizierung sowie Initiativen zur Förderung An- und Ungelernter. Die abschlussorientierte Förderung dieser Personengruppe ist ein wichtiger Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs, der gegen Ende dieses Jahrzehnts erwartet wird. Daher besteht weiterhin die Notwendigkeit, Qualifizierungskonzepte für diese Zielgruppe umzusetzen und insbesondere entsprechende Finanzierungsinstrumente zu etablieren.
Schriftliche Prüfungen stellen an die Auszubildenden fachlich und sprachlich hohe Anforderungen. Auszubildende mit geringer Schriftsprachkompetenz können in der Fachprüfung profitieren, wenn die sprachlichen Anforderungen gering gehalten werden. Die Autoren konnten zeigen, dass Auszubildende mit Hör-Sprach-Behinderung bei sprachlich optimierten (textoptimierten) Aufgaben 20 Prozent schneller korrekt antworteten und weniger Fehler machten als bei inhaltlich identischen, nicht textoptimierten Aufgaben. Textoptimierung kann somit für Auszubildende mit geringer deutscher Schriftsprachkompetenz ein wirksamer Nachteilsausgleich sein.
Der Beitrag beschreibt österreichische Zwischenergebnisse des LEONARDO-da-Vinci-Projekts "SABIEN". Projektziel ist die Entwicklung von Lehreinheiten zur Förderung berufsübergreifender sozialer und persönlicher Kompetenzen für junge Menschen in Ausbildung oder anderen beruflichen Integrationsmaßnahmen. In der ersten Projektphase wurde besonderer Bedarf an Trainingsunterlagen für Motivationsfähigkeit und Problemlösungsstrategien festgestellt. Derzeit werden neue Trainingseinheiten und -unterlagen inkl. Handbuch entwickelt, in der Praxis getestet und ab Herbst 2006 allgemein zur Verfügung gestellt.
Im Rahmen eines Netzwerkprojektes der Lernenden Region Nürnberg-Fürth-Erlangen werden Hauptschüler schon während der 9. Klasse durch vertiefte Berufsorientierung, Vorqualifizierung und begleitete Praktika für den Ausbildungsmarkt fit gemacht. Partner sind neben dem Internationalen Bund verschiedene Innungen, die Handwerkskammern für Mittelfranken, fünf Fürther Hauptschulen und die Agentur für Arbeit. Effekte sind gestärkte Kompetenzen im Bewerbungsprozess, eine erhöhte Schulmotivation und im günstigsten Fall eine Lehrstelle. Das Projekt geht 2005 ins dritte Jahr, mittlerweile sind erste Ergebnisse verfügbar.
Fehlende schulische und fachliche Kenntnisse gefährden den Ausbildungserfolg. Deshalb sollte im Vorfeld geklärt werden, über welche Kompetenzen und Lernpotenziale ein Auszubildender verfügt und wie etwaige Defizite behoben werden können. Das vorgestellte Projekt hat neun SGB III-geförderte Auszubildende drei Monate lang berufsbegleitend gefördert, um deren Ausbildungschancen zu steigern. Ziel war es, die Lernverhaltensmuster der Auszubildenden zu verändern sowie fachliche Grundkenntnisse in Deutsch und Mathematik aufzubauen. Die Ergebnisse zeigen, dass trotz der schwierigen Ausgangslage enorme Leistungssteigerungen bei den geförderten Jugendlichen möglich sind, wenn neben dem rein Fachlichen auch die Lern- und Handlungskompetenzen gestärkt werden.
In seiner letztes Sitzung im Jahre 2005 beriet der Hauptausschuss über die aktuelle Ausbildungsplatzsituation und über sein eigenes Selbstverständnis, über anstehende thematische Schwerpunkte sowie über eine Stärkung seiner berufsbildungspolitischen Funktion. Der Hauptausschuss verabschiedete Empfehlungen zum Europäischen Qualifikationsrahmen (EQ) und zur Berufsorientierung und Berufsberatung. Außerdem fand eine intensive Diskussion über die Stellungnahme des Wissenschaftsrates zur Berufsbildungsforschung des Bundesinstituts statt.