Adressaten der Berufsbildung werden heterogener, ihre Lebensläufe und Erwartungen an das Berufsleben vielfältiger und die Anforderungen in Arbeit und Beruf ändern sich immer schneller. Wird das Berufsbildungssystem dieser Dynamik gerecht? Die BWP-Ausgabe richtet den Blick auf das System und fragt, wie viel Flexibilität ein hoch standardisierter Bildungsbereich wie die Berufsbildung verträgt und ermöglichen muss – und zwar sowohl mit Blick auf die Zugänge in Aus- und Weiterbildung, auf inhaltlich-curricularer Ebene wie auch in zeitlicher Hinsicht. Neben strukturellen Überlegungen geht es vor allem auch darum, Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis vorzustellen.
Die im österreichischen Berufsausbildungsgesetz vorgesehene Möglichkeit der Lehrzeitverlängerung soll für benachteiligte Jugendliche die Chance erhöhen, einen regulären Ausbildungsabschluss zu erreichen. Die im Beitrag vorgestellten Zahlen zu Inanspruchnahme und späterem Arbeitsmarkterfolg zeigen, dass sich diese Option als erfolgreich erwiesen und im dualen System in Österreich etabliert hat.
Themenschwerpunkt
Alexandra Bläsche; Detlef Buschfeld; Elke Hannack; Hans Jürgen Metternich
Am 1. September 1969 trat das Berufsbildungsgesetz (BBiG) in Kraft. Vorausgegangen waren lange und intensive Debatten über die Notwendigkeit und Regelungsbereiche eines solchen Gesetzes. Seit seinem Inkrafttreten gelten bundeseinheitliche Bestimmungen für die duale Ausbildung und berufliche Fortbildung. Das hohe Maß an Standardisierung und die gesetzlich geregelte Zusammenarbeit der Sozialpartner mit Bund und Ländern tragen wesentlich zur Profilierung dieses Bildungsbereichs bei und genießen international hohes Ansehen. Doch bietet der gesetzliche Rahmen auch genügend Flexibilität, um auf Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft reagieren zu können? Mit kurzen Statements aus dem Hauptausschuss und dem wissenschaftlichen Beirat des BIBB von Dr. Alexandra Bläsche, Prof. Dr. Detlef Buschfeld, Elke Hannack und Dr. Hans Jürgen Metternich wird diese Frage rückblickend und perspektivisch beleuchtet.
Flexibilisierung und Durchlässigkeit beruflicher Bildung haben sich längst als Dauerziele auf der bildungspolitischen Agenda etabliert, zielen jedoch vorrangig auf die duale Berufsausbildung. Dabei ist ein Bedarf auch im berufs- und ausbildungsvorbereitenden Bereich festzustellen – und zwar für jene jungen Menschen, die den Übergang in die duale Berufsausbildung (noch) nicht bewältigen konnten. Im Beitrag werden Erkenntnisse aus dem Projekt QBi vorgestellt, in dem Qualifizierungsbausteine für die dualisierte Ausbildungsvorbereitung (AV) an verschiedenen Schulstandorten in Nordrhein-Westfalen erprobt und angepasst wurden. Hier stellt sich vor allem die Frage, wie mehr curriculare und pädagogisch-didaktische Flexibilisierung erreicht werden kann, die Raum für Individualisierung und Subjektorientierung lässt.
Die Flucht vieler Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten im Jahr 2015 führte auch in der Schweiz zu einer starken Zunahme der Asylmigration. Der Bundesrat beschloss daher noch im Dezember 2015 ein Pilotprogramm, um die Potenziale von jugendlichen und erwachsenen Flüchtlingen besser zu nutzen und sie nachhaltiger in die Berufsbildung und den Arbeitsmarkt zu integrieren. Nach einer Vorbereitungsphase starteten die sogenannten Integrationsvorlehren im August 2018. Der Beitrag erläutert Zielsetzung und Rahmenbedingungen des Programms und gibt erste Einblicke in die Umsetzungsmodelle, wie sie in den Kantonen und für bestimmte Berufe entwickelt und umgesetzt wurden.
Mit der zweijährigen beruflichen Grundbildung mit Berufsattest (EBA) wurde das Berufsbildungssystem in der Schweiz durch ein Bildungsangebot ergänzt, das die berufliche Integration verbessern und gleichzeitig niederschwellig sein soll. In einer Befragung zeigt sich jedoch, dass die Mehrheit der EBA-Lernenden – insbesondere aus sonderschulischen Settings oder mit Migrationshintergrund – nicht direkt in die Ausbildung einsteigt, sondern zuvor Brückenangebote nutzt. Im Beitrag werden diese Übergangsphasen beschrieben und untersucht, welche Gruppen von Jugendlichen verzögert in die Ausbildung einsteigen und wie sich dies auf ihre Erfahrungen zu Beginn der Ausbildung auswirkt.
Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland Modellprojekte, die mithilfe von aufeinander aufbauenden Modulen eine berufliche Nachqualifizierung für unterschiedliche Zielgruppen ermöglichen. Das Kölner Bildungsmodell (KöBi) ist eines dieser Modelle. Es richtet sich an junge Erwachsene ohne Berufsabschluss, die meist multiple Problemlagen aufweisen und oft dauerhaft auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Im Beitrag wird gezeigt, wie es mit dem Modell gelingt, einen Großteil der Teilnehmenden durch eine Kombination von niedrigschwelligem Einstieg, begleitendem Coaching und zeitlicher Flexibilität erfolgreich zu qualifizieren.
Mit dem zunehmenden Fachkräftemangel steigt die Herausforderung, Zielgruppen zu qualifizieren, für die eine duale Ausbildung nicht mehr infrage kommt. In der Regel handelt es sich dabei um über 25-jährige, häufig gering qualifizierte Erwachsene. Für sie bietet sich eine Qualifizierung durch den Erwerb von Teilqualifikationen an. Der Beitrag gibt Einblicke in das Zertifizierungsangebot der Industrie- und Handelskammern (IHK) und hebt die Bedeutung einer qualitätsgesicherten Entwicklung und standardisierten Umsetzung von Teilqualifikationen hervor.
Das Schweizer Telekommunikationsunternehmen Swisscom hat vor 15 Jahren die Ausbildungsstruktur radikal umgestellt. Die Lernenden absolvieren ihre Ausbildung in Form von wechselnden Projekten in verschiedenen Abteilungen und Arbeitskontexten. In einer Fallstudie am EHB wurde dieses Konzept untersucht. Unter anderem ging es darum festzustellen, welche Faktoren die neue Art zu lernen prägen und wie die Lernenden in diese Lernkultur hineinwachsen.
Die duale Berufsbildung der Schweiz soll flexibler und modularer und somit für Ausbildungsbetriebe und Auszubildende attraktiver werden. Diese Forderungen aus dem nationalen Leitbild „Berufsbildung 2030“ hat die gibb Berufsfachschule Bern mit dem Pilotprojekt „Informatikausbildung 4.0“ aufgegriffen. Im Beitrag werden die zentralen Ansätze des Projekts und erste Evaluationsergebnisse vorgestellt.
Die hohe Dynamik der sich verändernden Arbeitswelt führt auch in der beruflichen Erstausbildung zu neuen Anforderungen. Ausbildungsordnungen bieten durch ihre technikoffene Gestaltung bereits großen Handlungsspielraum. Trotzdem ergeben sich bei Ausbildungsberufen – verstärkt durch die Digitalisierung – kurzfristige Anpassungs- und Differenzierungsbedarfe. Welche Optionen stehen hierfür zur Verfügung? Der Beitrag stellt die wichtigsten vor und benennt Beispiele, wie sie in den letzten Jahren genutzt wurden.
Angesichts zunehmender Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze zu besetzen, wurden in den letzten Jahren die Anstrengungen verstärkt, Studienaussteigende für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen. Ein besonderer Fokus der Angebote liegt dabei auf Verkürzungen der Ausbildungsdauer. Eine Anrechnung hochschulischer Lernleistungen in der Ausbildung ist allerdings bislang rechtlich nicht möglich. Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag der Frage nach, welche Verkürzungsoptionen Studienaussteigenden, die sich für eine Berufsausbildung interessieren, in der Praxis angeboten werden und wie diese sich zu den bestehenden Regelungen verhalten. Damit einher geht auch die Frage, ob eine Änderung bisheriger Regelungen erforderlich oder sinnvoll ist, um die Berufsbildung als Alternative zur Hochschule zu stärken.
Zur beruflichen Integration junger Geflüchteter wurden ab 2015 von Bund und Ländern zahlreiche Programme zur Berufsorientierung und -vorbereitung aufgelegt. Dem Spracherwerb kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. In einer vom BIBB durchgeführten Expertise wurde untersucht, wie eine integrierte Vermittlung von Sprach- und Fachkompetenz in diesen Programmen erfolgt und welche Empfehlungen sich daraus für die Entwicklung der Programme und die berufliche Integration von Geflüchteten ableiten lassen.
Der Fachkräftemangel im hauswirtschaftlichen Bereich hat das Diakonische Werk Württemberg ermutigt, gezielt Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete für den Ausbildungsberuf Hauswirtschafter/-in zu gewinnen. Fehlenden Sprachkenntnissen begegnet das Modell "Ausbildung plus Sprache" im Rahmen eines JOBSTARTERplus-Projekts u.a. mit einem erweiterten Unterricht in der Berufsschule und einer individuellen Verlängerung der dualen Ausbildung. Im Beitrag werden Ziele und Umsetzung der Maßnahme beschrieben.
Eine Aufstiegsfortbildung kann nicht nur im Anschluss an eine Berufsausbildung, sondern auch nach erfolgreichem Bachelorabschluss berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Allerdings wird diese Option nach einem erstqualifizierenden Hochschulabschluss bislang selten wahrgenommen. Dies könnte auch an den Zulassungsvoraussetzungen für diese Adressatengruppe liegen, wie der vorliegende Beitrag auf Basis einer Dokumentenanalyse bundesweit gültiger Fortbildungsordnungen zeigt.
2020 treten zwei novellierte Fortbildungsordnungen in der Medienwirtschaft in Kraft. Die Regelungen Geprüfter Industriemeister/Geprüfte Industriemeisterin - Fachrichtung Printmedien sowie Geprüfter Medienfachwirt/Geprüfte Medienfachwirtin wurden inhaltlich und strukturell den neuen Anforderungen an Führungskräfte im mittleren Management angepasst. Im Beitrag wird – neben einer Beschreibung der Struktur und der Prüfungsanforderungen – erläutert, warum trotz großer inhaltlicher Übereinstimmungen weiterhin zwei Regelungen bestehen bleiben.